Geschlecht spielt immer eine Rolle – auch in der medizinischen Praxis

27.07.2018 -  

Medizinstudierende der Universität Magdeburg stellten vor kurzem insgesamt acht Projekte vor, die sich mit Zusammenhängen von Medizin, Gesundheit und Geschlecht auseinandersetzen. Erarbeitet wurden diese während eines Praktikums im Fach „Medizinische Soziologie“.

Neben Alter, Ethnizität, Religion, soziale Herkunft und Bildungsstand kann auch ‚Geschlecht‘ durchaus einen entscheidenden Einfluss auf das professionelle Handeln im Versorgungssystem haben. Deshalb ist es sinnvoll, angehende Ärztinnen und Ärzten für diese soziale Ordnungskategorie zu sensibilisieren. Im Praktikum des Studienfachs „Medizinische Soziologie“, das die Dozierende Julia Piel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Uni-Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, durchführte, lag der Fokus daher auf dem Zusammenspiel von Medizin, Gesundheit und Geschlecht und dessen Relevanz für die medizinische Versorgung. Teilnehmende Medizinstudierende des zweiten Semesters besuchten hierfür fünf theoretische Veranstaltungen, in denen sie auf die daran anschließende Projektarbeitsphase vorbereitet wurden.

So erhielten sie im Vorfeld einen Einblick in das konstruktivistische Verständnis von Geschlecht in der Soziologie, indem sie beispielsweise die gesellschaftliche Relevanz des binären Geschlechtermodells von Mann und Frau diskutierten und das Alternativmodell, in dem Geschlecht als Kontinuum aufgefasst wird, kennenlernten, das zwischenzeitlich auch in naturwissenschaftlichen Disziplinen rezipiert wird.

Abschlusss_Praktikum_Transgender.1Darüber hinaus thematisierte die Gleichstellungsbeauftragte der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Dr. Sandra Tiefel, in einer Diskussionsrunde, inwiefern Geschlecht in den Berufsfeldern der Medizin eine Rolle spielt. In diesem Zusammenhang informierte sie die angehenden Medizinerinnen und Mediziner über hochschulinterne Unterstützungsangebote bei Fragen zu Familie und Beruf sowie das Förderprogramm ComeTin für junge Wissenschaftlerinnen. Sie erklärte den jungen Frauen und Männern, dass die Synchronisation von Familie, Klinik und Forschung sich zwar nach wie vor herausfordernd gestaltet, aber zumindest gesetzlich verankert und demnach strategisch bewältigbar ist.

Im Gespräch mit der Chirurgin Dr. Sara Acciuffi, die derzeit als Assistenzärztin in der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums Magdeburg tätig ist, erfuhren die Studierenden mehr über die Barrieren, die Frauen für eine Karriere in der Chirurgie überwinden müssen und auch, wie unterschiedlich die chirurgische Ausbildung im internationalen Vergleich ist.

Abschluss_Praktikum_Transgender2Der sonst oft unhinterfragten sozialen Tatsache ‚Geschlecht‘ begegneten die Studierenden in der zweiten Phase des Praktikums aktiv, indem sie in Projektgruppen ein Glossar zu bestimmten Termini wie z. B. „Frauen- und Männergesundheit“, „Intersektionalität“, „Maskulinismus“, „sexuelle Orientierung“ und „geschlechterbezogene Diskriminierung“ in Relation zu medizinischen Tätigkeitsfeldern zusammenstellten. Das Online-Glossar war auch Ausgangspunkt für insgesamt acht Studienprojekte, die die Teilnehmenden eigenständig mit viel Kreativität konzipierten. Beispielsweise führte eine Projektgruppe eine Online-Umfrage mit Beschäftigten des Universitätsklinikums und Medizinstudierenden zur Relevanz von Gendermedizin durch und fand heraus, dass weibliche Mitarbeitende bzw. Studierende zwar ein Bewusstsein für die Relevanz von Geschlecht in der medizinischen Praxis besäßen, allerdings von einer curricularen Verankerung des Fachs in das Medizinstudium und in medizinische Weiterqualifizierungsprogramme absehen würden. Eine weitere Gruppe Studierender reflektierte in ihrem Projekt die Folgen eines heteronormativen Geschlechterverständnisses bei Intersexualität. So seien viele intersexuell geborene Menschen von Diskriminierungserfahrungen und in Folge diverser Operationen im Kleinkindalter von körperlichen und/oder seelischen Beeinträchtigungen betroffen. Mit einer Novellierung des Personenstandsgesetzes in Deutschland habe sich seit 2017 der Gesetzgeber für einen besonderen Schutz der geschlechtlichen Identität eines Individuums ausgesprochen, sodass die Zuordnung zu männlich oder weiblich nach der Geburt aktuell nicht mehr zwingend erforderlich sei. Hieran scheint sich ein gesellschaftliches Umdenken abzuzeichnen.

Die Ergebnisse ihrer Praktikumsprojekte stellten die Medizinstudierenden in einer Abschlusspräsentation am 12. Juli 2018 im Foyer der Mensa  auf dem Campus der Universitätsmedizin Magdeburg vor.

Text: Julia Piel
FOTOS: Teilnehmende des Praktikums und Interessierte bei der Abschlusspräsentation in der Mensa Studierende präsentieren ihr Projekt zum Thema "Transgender"
Fotos: Melitta Dybiona/Uniklinik

Kontakt:
Julia Piel
wiss. Mitarbeiterin
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Medizinische Fakultät
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg

Telefon: +49-391-67-24308

http://www.med.uni-magdeburg.de

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