Dr. Esther Kühn gewinnt den höchsten europäischen Forschungspreis für Nachwuchswissenschaftler
Für ihre Forschung zum Körpergedächtnis wird die Neurowissenschaftlerin der Medizinischen Fakultät Magdeburg mit dem „ERC Starting Grant“, der mit 1,5 Millionen Euro dotiert ist, ausgezeichnet.
Dr. Esther Kühn war schon früh davon fasziniert, wie psychologische Vorgänge mit biologischen Methoden beschrieben werden können. Mit Ihrer Forschung zum „BodyMemory“, dem Körpergedächtnis, besetzt Dr. Kühn eine Forschungslücke über die Frage, wie man körperliche Erfahrungen, beispielsweise Berührungen, abspeichert und wie diese die Psyche beeinflussen. Das Ziel der Forschung von Dr. Kühn ist es, die neuronalen Mechanismen zu verstehen, die mit dem menschlichen Körpergedächtnis verknüpft sind. Dieses Wissen kann genutzt werden, um zukünftig psychosomatische Symptome zu erkennen und zu behandeln. Mit dem Starting Grant fördert der European Research Council talentierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die bereits exzellente Forschungsleistungen erbracht haben. Die Förderung gilt für fünf Jahre und soll dafür verwendet werden, die Mysterien der Wissenschaft zu entschlüsseln. Laut Dekan Prof. Dr. Hermann-Josef Rothkötter sei es besonders wichtig junge Wissenschaftler*innen gerade in der frühen Phase ihrer wissenschaftlichen Entwicklung zu unterstützten. „Die Auszeichnung mit dem Starting Grant ist eine besondere Anerkennung für die Leistung von Dr. Kühn und unterstreicht zudem die Bedeutung des Magdeburger Forschungsstandortes“, betont Rothkötter.
Die Biologin freut sich sehr über die Auszeichnung und die Chancen, die sich damit für sie eröffnen. „Der Grant bietet mir die Möglichkeit dieses Forschungsfeld unabhängig zu bearbeiten und mich international noch stärker zu vernetzen. Magdeburg ist dafür der ideale Standort. Mit dem Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), dem Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) und unserem Institut für kognitive Neurologie und Demenzforschung (IKND) kann ich auf eine enorme Expertise und Tradition auf dem Gebiet der Neurowissenschaften zurückgreifen“, erklärt Kühn. Die 37-Jährige leitet am IKND in Magdeburg die Forschungsgruppe „Mikrostrukturelle Grundlagen des Alterungsprozesses und neurodegenerativer Erkrankungen“. In der Forschung zum menschlichen Körpergedächtnis wird davon ausgegangen, dass vergangene Erfahrungen im Gedächtnis abgespeichert werden und somit das Verhalten beeinflussen. Dadurch kann das tägliche Leben positiv aber auch negativ beeinflusst werden, obwohl dies einem selten bewusst ist. Letzteres ist gerade dann der Fall, wenn sich der Mensch an Verletzungen oder Unfälle erinnert. Daraus folgt, dass diese körperlichen Erinnerungen die psychische Gesundheit beeinflussen können. Die Folge sind oft Depressionen oder Angstzustände. Laut Dr. Kühn stecke die Forschung zu dieser Thematik noch in den Kinderschuhen, denn über neuroanatomische Bahnen und neuronale Mechanismen des menschlichen Körpergedächtnisses sei bislang nur wenig geforscht worden. Für ihr Vorhaben werden modernste wissenschaftliche Werkzeuge und Methoden verwendet. „Wir denken hier in Richtung Traumatherapie. Patienten können unter Einsatz von Virtual-Reality-Technik eine negative Körpererfahrung noch einmal durchleben und damit besser verarbeiten“, erklärt Dr. Kühn weiter.
Dr. Esther Kühn hat an der Universität Münster Biologie und an der Universität Otago in Neuseeland Neurowissenschaften studiert, bevor sie im Fach Psychologie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig promovierte. Es folgte ein Postdoc Fellowship in London am University College London und ein Postdoc Fellowship am DZNE in Magdeburg.
Das Projekt wird gefördert durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) im EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizont 2020 (Grant Agreement Nr. 949609).
Zum ERC Starting Grant
Der ERC Starting Grant innerhalb des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation, aktuell HORIZON 2020, wurde 2007 von der Europäischen Union geschaffen, um jährlich die besten und kreativsten Forscher unabhängig von Alter und Nationalität zu fördern. Forschungsprojekte mit Sitz in Europa können so finanziert werden. Der Sinn und Zweck, der bei dem Preis verfolgt wird, ist, dass die Forschenden unabhängig und selbstständig ihrer Arbeit nachgehen können. Nachwuchsforschern wird es so ermöglicht, sich für fünf Jahre ihren innovativen Ideen zu widmen.
Durch die Vergabe des Preises erlangt der Laureat internationale Anerkennung, welche auch für weitere Forschungsarbeiten von Vorteil ist. Um den ERC gewinnen zu können, müssen sich die Forschenden beim European Research Council bewerben.
Foto: Jana Dünnhaupt/OVGU