Interview Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Werner Hoffmann

Abschied in den Ruhestand

1993 wurde Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Werner Hoffmann an die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg berufen. Nach 30 Jahren Lehr- und Forschungstätigkeit an der Medizinischen Fakultät verabschiedete sich der Chemie-Professor zum 1. Oktober 2023 in den Ruhestand. Bis auf Weiteres hat Dr. rer. nat. Markus Plaumann die Vertretung des Faches Chemie für Mediziner im Rahmen einer Vertretungsprofessur übernommen. Im Interview erzählt Univ.-Prof. Hoffmann, wie seine Pläne für den Ruhestand aussehen.

Was bedeutet der Ruhestand jetzt für Sie? Fällt Ihnen der Abschied schwer?

Der Ruhestand bedeutet für mich den Eintritt in eine völlig neue Lebensphase, an die ich mich aber noch etwas gewöhnen muss. Dies ist für mich ein Neuanfang, dem auch ein Zauber inne wohnt…. Nach fast 30 Jahren an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg fällt mir der Abschied natürlich nicht leicht, da mich die Möglichkeiten zur aktiven, freien Grundlagenforschung immer besonders fasziniert haben.

Prof. Dr. Werner Hoffmann_privat

Foto: Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Werner Hoffmann. Foto: privat

Welche Erinnerungen nehmen Sie aus dieser Zeit mit?

Ich werde nicht vergessen, wie ich im Juli 1990 im Rahmen einer Tagung zum ersten Mal Magdeburg besuchte und wir abends fast im Dunkeln vom damaligen Interhotel am Bahnhof zum „Haus der deutsch-sowjetischen Freundschaft“ spazierten. Damals wusste ich noch nicht, dass ich einmal die meiste Zeit meines Lebens in Magdeburg verbringen würde. Als ich dann meine neue Position im November 1993 antrat, war Magdeburg in vielerlei Hinsicht sehr verschieden im Vergleich zu heute; so hat sich inzwischen unter anderem die Infrastruktur der Stadt enorm entwickelt.

Das Institut für Molekularbiologie und Medizinische Chemie (IMMC) gab es damals formal und räumlich noch nicht. Wir hatten nicht mal eigene Laborräume. Aber den Aufbau des IMMC habe ich trotz der enormen Schwierigkeiten in guter Erinnerung behalten, da es eine sehr aktive und produktive Zeit war. Innerhalb weniger Jahre konnten wir ein erfolgreiches Forschungsprofil etablieren, das sich vor allem mit verschiedenen Schutz- und Reparaturmechanismen muköser Epithelien beschäftigt. Obwohl das IMMC zu den kleinsten Instituten auf Campus der Fakultät zählt, ist es gelungen mit heute insgesamt über 130 Publikationen einen H-Index von 48 zu erarbeiten; Effizienz war mir immer wichtig. Besonders am Herzen lagen mir die Kooperationen mit den klinischen Struktureinheiten unserer Fakultät, um möglichst medizinnahe Grundlagenforschung betreiben zu können.

…und in der Lehre?

In der Lehre habe ich gleich zu Beginn meiner Amtszeit das Curriculum für das Fach „Chemie für Mediziner“ modernisiert. Dabei stand die Vermittlung eines molekularen Weltbildes für Mediziner im Mittelpunkt – stets zusammen mit Anwendungen in der Biochemie und Medizin. Meine Habilitation für das Fach „Biochemie“ sowie meine Forschung im Bereich der Molekularbiologie waren dabei wichtige Impulsgeber für die Vorlesung und das Großpraktikum. Zusammen mit der von mir gegründeten AG „Chemie in der Medizinerausbildung“ der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) wurden diese Inhalte dann später unter meiner Federführung in den neuen Gegenstandskatalog des Instituts für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) aufgenommen. Für viele Jahre war ich Sachverständiger am IMPP sowie Mitglied der Kontroll- und Überprüfungskommission. So wie viele meiner bundesweiten Amtskollegen musste ich allerdings die prägende Erfahrung machen, dass viele Studierende nach dem Gymnasium große Vorbehalte gegenüber der Chemie haben und dass eine konsequente Einforderung von Leistung in diesem Fach nicht gerade zur Beliebtheit bei Medizinstudierenden beiträgt. Auf alle Fälle nimmt unsere Fakultät im bundesweiten Ranking für M1 in der Fächerkombination „Chemie/Biochemie und Molekularbiologie“ seit der Umstellung des Chemiecurriculums nun regelmäßig Spitzenplätze ein und das bei sehr bescheidenen Durchfallquoten.

Gibt es Projekte und Ideen, die Sie gerne noch umgesetzt hätten, aber die Zeit fehlte?

Sehr gerne hätte ich unsere erfolgreichen Arbeiten über die Differenzierung der verschiedenen Gewebszellen (Epithelzellen) in den unterschiedlichen Magendrüsen mit Hilfe einer Kopplung von Lasermikrodissektion und Expressionsanalysen weiter vertieft. Geplant waren Studien zum wechselseitigen Informationsaustausch von mesenchymalen und epithelialen Zellen entlang der Drüsenachse. Allerdings hatte ich mir als Realist schon vor einiger Zeit das Ziel gesetzt, möglichst alle meine laufenden Projekte mit Publikationen abzuschließen und keine neuen Projekte mehr zu beginnen. Aber wie immer in der Wissenschaft geht es meist dann doch etwas langsamer als geplant, und es haben sich zum Schluss auch noch besonders interessante Ergebnisse eingestellt. Aus diesem Grund freue ich mich, dass ich zumindest noch für ein Semester die Möglichkeit habe, unsere laufenden Forschungsvorhaben abzuschließen. So arbeiten wir momentan mit Hochdruck an Manuskripten zum Aufbau des Schleims im Gebärmutterhals sowie in den verschiedenen Regionen des Magens und im Darm. Bestimmten Molekülen – den drei Trefoil Factor Family (TFF)-Peptiden – kommt dabei eine besondere Rolle zu. In den letzten Jahren konnten wir für diese Lektine (zuckerbindende Proteine), die für u.a. den Schutz von Schleimhäuten eine wichtige Rolle spielen, verschiedene molekulare Formen charakterisieren und es kristallisieren sich nun auch unterschiedliche molekulare Funktionen heraus.

Wissenschaft ist oft mehr Berufung als Beruf. Haben Sie vor, sich weiterhin für die Forschung und Lehre zu engagieren? Wenn ja, was motiviert Sie weiterzumachen?

Die Wissenschaft war für mich immer wesentlich mehr als nur ein Beruf. Aus diesem Grund bin ich auch sehr dankbar, dass ich meine Begeisterung für die Grundlagenforschung größtenteils frei ausleben konnte, besonders als unabhängiger Nachwuchsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie (heute MPI für Neurobiologie) in Martinsried und dann als Direktor des IMMC hier in Magdeburg. Nach Beendigung meiner aktiven Forschungstätigkeit möchte ich mich aber auch weiterhin gerne für die Forschung und Lehre engagieren. Treibende Kraft ist die Freude am intellektuellen Austausch mit interessierten Menschen. Außerdem möchte ich auf die enormen Möglichkeiten der wissenschaftlichen/kritischen Denkweise für unsere komplexe Gesellschaft hinweisen und gleichzeitig vor Gefahren eines wissenschaftsfremden/-feindlichen Weltbildes warnen. So denke ich daran, neue wissenschaftliche Erkenntnisse besonders aus dem Bereich der Biochemie und molekularen Medizin einer breiteren Öffentlichkeit erklärend darzustellen. Andererseits möchte ich gerne mit interessierten Menschen über die Frage sprechen, woher denn der medizinische Fortschritt kommt. Dabei spielt die Wissenschaftlichkeit eine zentrale Rolle, die sich erst seit der Renaissance entwickelt hat und die einen wesentlichen Teil unserer kulturellen Evolution ausmacht. Da sehe ich noch enormen Handlungsbedarf in unserer Gesellschaft, gerade im Hinblick auf Strömungen, die besonders während der Corona-Pandemie offen zutage getreten sind. Besonders am Herzen liegt mir deshalb der Austausch mit jungen Menschen, die unsere Zukunft gestalten werden. Es ist mir ebenfalls ein Anliegen, immer wieder auf die Bedeutung einer freien Grundlagenforschung in unserer Gesellschaft hinzuweisen.

Wie sehen Ihre konkreten Pläne für den Ruhestand aus?

Mein Leben wird sich nach der Beendigung meiner aktiven Forschungstätigkeit verändern. Auf der einen Seite werde ich mehr Zeit für persönliche Kontakte, den Tango, das Kochen und den Garten haben; besonders wichtig ist mir dabei der Kontakt mit meinen zwei kleinen Enkelinnen. Ebenso freue ich mich auf das Reisen und Wandern, u.a. in den Alpen. Auf der anderen Seite werde ich versuchen, mir meinen lang gehegten Wunsch nach einer künstlerischen Tätigkeit wie beispielsweise dem Malen und Zeichnen zu erfüllen.

Zur Person

Prof. Mag. Dr. rer. nat. Werner Hoffmann, Jahrgang 1955, studierte Chemie an der Universität Innsbruck, wo er nach seiner Doktorarbeit am Institut für Molekularbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) später auch promovierte und für das Fach „Biochemie“ habilitierte. Als Postdoc absolvierte der gebürtige Österreicher einen Forschungsaufenthalt in den USA, bei ZymoGenetics Inc. in Seattle, und war dann Projektleiter am Institut für Molekularbiologie der ÖAW in Salzburg. Im Anschluss übernahm er die Leitung der Nachwuchsgruppe Molekulare Genetik am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in Martinsried. 1993 wurde Hoffmann als Professor für Medizinische Chemie und Direktor des Institutes für Molekularbiologie und Medizinische Chemie an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg berufen. 2006 lehnte Herr Professor Hoffmann einen Ruf auf den Lehrstuhl für Veterinärmedizinische Biochemie an der Justus-Liebig-Universität Gießen ab. 

Letzte Änderung: 16.10.2023 - Ansprechpartner: Webmaster